Kanada ist nur eine Zugreise von Zuhause entfernt. Zumindest wenn man Celia Hug fragt. In ihrem klimafreundlichen Reiseführer “Suche Fern. Finde Nah.” zeigt die junge Autorin uns die Schweiz, wie wir sie sonst nicht sehen: als einen exotischen Ort voller Wunder. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sich Fernweh und Klimaschutz vereinbaren lassen und sie nach Tipps fürs nachhaltige Reisen gefragt.
Der Herbst färbt die Bäume goldgelb, die Gipfel im Hintergrund tragen den ersten Schnee und in einem stillen See spiegelt sich der Himmel scheinbar endlos. Was auf den ersten Blick nach der Weite Kanada aussieht, befindet sich in Graubünden.
In ihrem klimafreundlichen Reiseführer "Suche Fern. Finde Nah." spürt Celia Hug Schweizer Regionen auf, die sie an Sehnsuchtsorte auf anderen Kontinenten erinnern. Damit zeigt sie, dass Fernweh und Heimweh manchmal ganz nah beieinander liegen. Und dass die weite Welt vor der eigenen Haustüre beginnt.
Kanada in Graubünden. Der "Altwiibersummer" braucht sich vor dem "Indian Summer" nicht zu verstecken. Bild: Celia Hug
“Suche Fern. Finde Nah.” geht in die vierte Auflage und ist nun wieder bei uns im Shop erhältlich. Im Interview verrät uns Celia mehr über die perfekte Reisegeschwindigkeit und wie nachhaltiger Tourismus in der Schweiz aussehen kann.
Du hast das gesamte Buch in Eigenregie erstellt und herausgebracht. Wie ist es dazu gekommen?
Das Projekt hat als Maturaarbeit angefangen. Daher musste alles aus eigener Kraft entstehen. Mich hat dabei vor allem das Layout und Gestalten interessiert. Ausserdem wollte ich ein Thema aufgreifen, das mir sehr am Herzen liegt, nämlich der Klimaschutz. Und so ist das Buch entstanden. Zuerst war es viel Recherche, danach Planen, Wandern, Fotografieren, Illustrieren, Gestalten, Umsetzen bis hin zur Veröffentlichung.
Seither hat das Projekt ein Eigenleben entwickelt?
Es ist über die Jahre stark gewachsen und ein grosser Teil von mir geworden. Aber das war völlig ungeplant. Eines hat sich aus dem anderen ergeben. Dann kam Corona und das Thema wurde noch wichtiger, weil wir auf einmal nicht mehr weg konnten.
Nach der Matura wollten deine Klassenkamerad*innen bestimmt alle weit weg. Wie ist dein Projekt in deiner Klasse angekommen?
Damals war das Thema sehr aktuell. Zum ersten Mal waren alle frei. In meinem Umfeld ist das Umweltbewusstsein aber relativ gross. Ich habe daher auch sehr viel Bestätigung bekommen. Es ist natürlich das Eine zu sagen: "Ich finde toll, was du machst.” Aber es ist nochmal etwas anderes, das eigene Verhalten wirklich zu ändern. Ich finde es wichtig, beides zu vereinen.
Natürlich wollen junge Menschen sich entfalten und reisen, die Welt und sich selbst kennenlernen. Dieses Bedürfnis habe ich auch.
So schön kann Nachhaltigkeit sein: Der Reiseführer "Suche Fern. Finde Nah."
Klimaschutz ist in der jüngeren Generation ein wichtiges Thema. Aber gleichzeitig fliegen junge Leute heute mehr als je zuvor. Wie bewertest du diesen Widerspruch?
Ich bin dankbar, dass das Thema bei vielen Menschen präsenter wird. Natürlich wollen junge Menschen sich entfalten und reisen, die Welt und sich selbst kennenlernen. Dieses Bedürfnis habe ich auch. Umso wichtiger finde ich es, das Bewusstsein zu schärfen und den Leuten Mut zu machen, die eigenen Werte kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig spielerische Alternativen aufzuzeigen.
Zum Beispiel Alternativen zu Flugreisen.
Man kann auch wunderbar Reisen ohne Flugzeug, denn Fliegen ist ein Privileg. Gerade mal 11 Prozent der gesamten Weltbevölkerung hat jemals ein Flugzeug bestiegen! Ich wünsche mir aber auch, dass generationenübergreifend die Dringlichkeit spürbar wird, denn auch politisches Handeln ist unabdingbar.
Ich fände es naiv zu sagen: "Du kannst jetzt nie mehr fliegen." Es braucht jedoch ein ganz anderes Bewusstsein dafür.
Du willst also eher Anreize schaffen als etwas zu verbieten?
Aus meiner Perspektive als Buchautorin auf jeden Fall. Aber ich fände es naiv zu sagen: "Du kannst jetzt nie mehr fliegen”. Es braucht jedoch ein ganz anderes Bewusstsein dafür. Zum Beispiel, dass man für sich entscheidet: “Jetzt fliege ich weg und versuche dort so nachhaltig zu reisen wie möglich." Oder beim Reisen in Europa ganz darauf zu verzichten und den Nachtzug zu nehmen.
Die Greina-Ebene bietet ein Gefühl von Weite, eher an die mongolische Steppe als die enge Schweiz erinnert. Bild: Celia Hug
Müssen wir also eine neue Art des Reisens entdecken?
Absolut. Mit dem Vergleich zwischen Fern und Nah schaffe ich im Buch Momente von Reiseeindrücken, die sich verblüffend ähnlich sind. Die Schweiz als so vielfältiges Landschafts-und Kulturland bietet sich perfekt dafür an. Immer wieder stosse ich auf neue Orte, an denen ich denke: Das könnte auch am anderen Ende der Welt sein. Das ist auch eine Frage des Mindsets, oder eben eine Frage des bewussten Blickes auf die eigenen Umwelt.
Viele Leute gehen zu einem Ort, machen ein Selfie und gehen wieder. Wie entdeckt man einen Ort am besten?
Was ich sehr wichtig finde, ist die Bewegung vor Ort. Also wie reise ich vor Ort? Für mich ist das langsame Reisen nicht nur nachhaltiger. Man sieht auch viel mehr, wenn man an bestimmte Orte läuft oder mit dem Zug fährt. Und man entdeckt ganz andere Sachen, die man im Flugzeug oder Auto niemals sehen würde.
Dein Buch lädt dazu ein, die Schweiz neu zu entdecken. Welcher Ort war für dich selbst die grösste Überraschung?
Das war wahrscheinlich die Greina-Ebene, die mich sehr an das mongolische Hochland erinnert. Wenn man da oben steht, hat man das Gefühl, kilometerweit in die grüne weite Welt zu sehen. Nach zwei Tagen dort hatte ich das Gefühl, als wäre ich von einer langen Reise gekommen, und das schätze ich so sehr am Wandern.
Reise in ein anderes Land: Montreux. Bild: Celia Hug
Wie gut kennst du die Schweiz?
Ich entdecke immer neue Regionen, kundschafte neue Orte aus. Und jedesmal bin ich wieder überwältigt davon, wie eindrücklich die Berge und die Natur sind. Und wenn man nur 1,5 Stunden Weg auf sich nimmt, steht man auf einmal in einer komplett anderen Welt. Die Schweiz ist sehr kompakt, aber deshalb auch auf kleinstem Raum sehr vielfältig.
Die Schweiz bietet ja nicht nur tolle Landschaften, sondern auch vier verschiedene Sprachen und Kulturen.
Genau - es gibt einfach wahninnig viel natürliche und kulturelle Vielfalt. Und ich finde, die gilt es zu entdecken und auch zu schätzen, wenn man hier lebt. Aber mir fällt die Entscheidung manchmal auch schwer, wenn ich am Planen bin, wohin die nächste Wanderung geht. Und dann stelle ich immer wieder fest: Oft ist es nicht so entscheidend, welche Region man sich aussucht. Es ist in der Natur fast immer wunderschön und eindrücklich.
Den perfekten Ort gibt es vielleicht gar nicht.
Also weniger planen und einfach raus?
Ich glaube, es lohnt sich gar nicht, jedes Detail zu planen und sich an Erwartungen zu klammern. Natürlich sollte man Wanderungen sorgfältig planen, aber wenn dies erledigt ist, empfehle ich, einfach mit offenen Augen und offenem Herzen loszuziehen. Manchmal geht etwas schief, manchmal wird man positiv überrascht. Und den perfekten Ort gibt es vielleicht gar nicht. Es gibt aber sicher Orte, die einem mehr zusagen als andere.
Ferien in den Bergen werden immer beliebter. Du setzt dich für nachhaltigen Tourismus in der Schweiz ein. Wie kann dieser Tourismus aussehen?
Man merkt gerade extrem, dass Bergtourismus auf Instagram sehr präsent ist und sehr populär bei jungen Leuten wird. Dadurch kommen immer mehr Leute in die Berge, die sich nicht gut auskennen und der Natur- und Tierwelt schaden. Daher finde ich es wichtig, dass man Aufklärungsarbeit leistet, sodass auch zukünftige Generationen diese Unberührtheit noch erleben können. Dafür braucht es eine sorgfältige Planung, eine umweltfreundliche An- und Abreise sowie respektvolles Verhalten vor Ort, als wäre man zu Gast.
Suche Fern. Finde Nah. gibt es ab sofort bei uns im Shop. Und mehr Inspiration für nachhaltiges Reisen finden Sie in unserer Kollektion "Auf Reisen".